Mittwochmorgen, Willy-Brandt-Platz, 10.49 Uhr. Ein dunkler Opel fährt zielsicher in eine der wenigen freien Parklücken. Thomas Hommen ist pünktlich. Sechs Minuten vor Schichtbeginn. Er nimmt einen blauen Plastikstuhl und ein Sitzkissen, das den Liberalen als Fan des Zweitliga-Spitzenreiters 1. FC Köln ausweist, aus dem Kofferraum. An der Bushaltestelle stoppt er. „Nur Ausstieg“ steht auf dem Schild. Passt. Der Mann in der magentafarbenen Warnweste schert aus aus der Riege der großen Koalition, die sich für den Abriss der alten Wache entschieden hat, wo die Feuerwehr Mitte Mai das Licht ausmacht. Der Rat will hier einen kräftigen Impuls fürs Dorf setzen.

Davon ist Hommen bekanntlich kein Fan. Er will hier, notfalls „bis zum Abriss“, jeden Mitwoch eine Stunde lang bis „fünf vor Zwölf“ sitzen. Davon verspricht er sich mehr als von Worten. Dass er Bagger mit seinen Sitzungen aufhält, glaubt nicht mal er selbst. Aber das werde bestimmt ein Weilchen dauern, davon ist er überzeugt. Bis es so weit ist, will er wiederkommen. Immer zur selben Stunde, wenn St. Ulrich am Mittwoch elf Mal läutet.

Auch wenn’s regnet. Diesmal strahlt die Sonne. Mit sieben Grad ist es noch frisch. Vögel zwitschern munter. Frühling liegt in der Luft. Irgendwo knattert ein Presslufthammer auf Beton. Ein subtiler Vorbote für das, was hier am Ende steht. Hommen sitzt nicht lang’ allein. Erst kommt Sabrina Steffens, die im Ort zu tun hat und hier parkt. Die Geschäftsfrau hat Sympathie für den Ein-Sitzer: „Einen Discounter braucht kein Mensch“, findet sie.

Andere radeln oder gehen an der „Straßenszene“ vorbei, manche grußlos. Jakob Nühlen, Vorsitzender der CDU-Senioren, winkt kurz, steigt aber nicht von der Fiets. Partei-Freundin Monika Knüppel will „ein bisschen Solidarität üben“, Sie hat ihr erst sechs Wochen junges „Patenkind“ Ginger dabei. Der Schäferhund-Welpe soll zum Blindenhund ausgebildet werden, wenn er das Zeug dazu hat. Annemarie Cargnelutti hat mit Parteipolitik nichts am Hut, findet die Aktion aber „in Ordnung“. Es gebe so viele Leerstände im Ort. Da müsse man nicht neu bauen, denkt die Frau, die lange in Italien gelebt und Verwandte in Spanien hat. Es wird geplaudert: über Europa, Hundesteuer, Fußball und die Farbe der Warnweste. Gelb sei in Frankreich verbrannt, so Hommen, blau politisch nicht korrekt.

Ein paar Meter weiter wartet ein Brummifahrer auf die Feuerwehr. Es will Paletten abholen. Das hat mit dem nahen Auszug nichts tun. Der Mann hat eine Idee fürs Gerätehaus: „Da könnt’ doch das DRK einziehen.“ Feuerwehrchef Michael Hartjes fährt vor, um zu öffnen. Er hat wenig Zeit, schon gar nicht für die plakative Form der Oppositionsarbeit. Der Verdacht, dass Hommen einen vermeintlichen Disput aussitzt, um Punkte fürs eigene Stimmenkonto zu sammeln, liegt nahe. Marketing in Magenta für Gelb.

Die Plauderei ist kurzweilig. Die Zeit verrinnt. Schon schlägt St. Ulrich Zwölf. Hommen steht auf, nimmt den Stuhl und geht. Abends hat er sein Kissen wieder besetzt. Im Stadion des MSV. Da kickt der FC, sammelt Punkte für den Aufstieg.

eingestellt von Thomas Hommen